Alexander J. Eberhard
Die wortlose Kommunikation ist mir am liebsten
Es geht um ein neues Album, um neue Zwischenräume und vor allem Zwischentöne. Ständig begegnen Alexander J. Eberhard als Bratschist, Komponist, aber auch Veranstalter neue Ideen, die ihn schwer einer anderen Gattung oder Stilrichtung zuordnen lassen als seiner ganz persönlich eigenen.
Moskwitsch soll dein neues Album heißen. Beschreibt der Titel tatsächlich dieses Auto des Ostens?
Ja, das ist der russische Trabi. Es gibt mein gleichnamiges Stück für Schlagzeug und Elektronik, das ich für Igor Gross geschrieben habe. Er spielt darin auch auf einer Salatschüssel und das hat mich auf den Titel gebracht. Als wär sie eine verformte Radkappe. Und der Sound ist auf der Salatschüssel super. Aber vielleicht sollten wir es mit einer origial Moskwitsch-Radkappe ausprobieren, vielleicht klingt das noch besser. Für die Aufnahme ist ja noch Zeit. Aber das ist ein guter Input.
Ist die Playlist dafür schon fix?
Ich möchte gern wieder auf Vinyl veröffentlichen, die Stücke müssen einfach plattentauglich sein und manchmal wäre dann die Nadel lauter ist als die Musik. Rosith zum Beispiel ist ein sehr leises Klavierstück, ich bin mir nicht mehr so sicher, ob das wirklich draufkommen wird. Es war ein Abschiedssgeschenk für Karlheinz Roschitz. Anlässlich seines Pensionseintritts sind 25 KomponistInnen eingeladen worden, kurze Stücke zu schreiben. Bei der Uraufführung in der Alten Schmiede hatte ich mich selbst ans Klavier gesetzt, weil ich mir das irgendwie zutraute. Aber ich habe dann wie noch nie zuvor in meinem Leben vor dem Auftritt gezittert, weil das Klavier einfach nicht mein Instrument ist. So können einem auch scheinbar leichte Sachen, wenn man darin nicht zuhause ist, richtig Stress machen. Wahrscheinlich wird auch Spinner Colada für Vibrafon und Fidget Spinners mit aufgenommen. Dann Moonwalk , das ich für Petra Ackermann geschrieben habe. Und dann sollte noch was Neues kommen, da bin ich noch am Werken. Und noch ein Stück für Bratsche Solo, es heißt Marigold. Das ist auch für Petra Ackermann geschrieben. Es wird im März eine Uraufführung im Gare du Nord in Basel geben, wo Petra mein neues Stück Nyx spielen wird. Ob das drauf passt, überlege ich noch.
Was hat es mit Petra Ackermann auf sich, dass du für sie so viel komponierst?
Wir kennen uns schon seit der Schulzeit, haben zusammen viel musiziert und Orchestercamps besucht als Teenager. Sie ist eine tolle Bratschistin mit einer Affinität für neue Musik. Sie hat etwas sehr Feines. Und ich schreibe manchmal gern so feine, leise Stücke. Das passt natürlich perfekt. Es gibt auch ein Stück für Klavier, Bratsche und Plattenspieler, das ich für sie und ihren Mann, den Pianisten Philipp Meier, geschrieben habe. Nach der Uraufführung beim Musikforum in Viktring kam eine Frau zu mir und sagte: „Ja, das ist Kunst, genauso soll neue Musik klingen!“ Das hat mich natürlich sehr gefreut.
… ein Argument für das Liveerlebnis. Gerade die Feinstücke sind also für die Aufführungssituation gedacht und gemacht und notwendigerweise auch dafür da.
Ja. Rosith ist zum Beispiel so ein Stück. Ein paar Töne, die eine ganz kleine aufsteigende Melodie ergeben. Dann eine Fermate und plötzlich gibt es einen lauten Cluster, wo sich die ersten Reihen erschrocken haben. Dann kommt aus dem Nichts ein Klang, produziert mit einem E-Bow, der sich aufbaut, mit dem Pedal gehalten wird und dann bis Null ausklingt. Das Stück ist deshalb nur so kurz, weil ich einer der wenigen war, der die Zeitvorgabe von einer Minute ernst genommen hat. Ich liebe ja kurze Stücke auch sehr.
Wie bei 9xBeethoven10 …
Das ist mein kürzestes Stück. Ich hab da aus allen Beethoven-Sinfonien Ein-Sekunden-Stücke gemacht, indem ich sie mit einer analogen Tonbandmaschine – in doppeltem Tempo abgespielt – aufgenommen habe, bis sie nur noch eine Sekunde lang waren. Das war 1994 mein Abschlussstück auf der ELAK. Jede Sinfonie hat lustigerweise eine andere Struktur. Begonnen mit einem Beethoven-Zitat, damit man versteht, wo man jetzt daheim ist, dauert das Stück insgesamt 23 Sekunden. Vor zwei Jahren hab ich beim Komponistenforum Mittersil die Videokünstlerin Claudia Larcher kennengelernt. Sie hat spontan mit ihrem Videomaterial auf dieses Beethovenstück geantwortet. Wir nannten es 9xBeethoven10 – Reloaded.
Wie kommst du sonst zu deinen Stücken? Was passiert da?
Die besten Einfälle kommen mir beim Laufen. Das war auch das einzige, was ich im Lockdown wirklich habe tun können. Beim Laufen bekomme ich den Kopf frei und dann kommen Ideen für das Komponieren. Wenn mir nichts einfällt, dann schnappe ich mir die Schuhe und gehe im Belvedere-Park ein paar Runden laufen. Am Liebsten halt auch möglichst früh. Denn eigentlich bin ich ein Morgenmensch und hab immer wieder so Komponierphasen, wo ich um fünf aufstehe und dann bis acht komponiere. Das ist so meine kreativste Zeit. Da kann ich meine Ideen ohne Ablenkung sichten und Entscheidungen treffen und bin dabei einfach doppelt so schnell. Obwohl das normale Musikerleben ja eher nicht so für die Morgenmenschen gemacht ist.
Komponieren und Musizieren sind für dich gleich wichtig, das bedingt sich bei dir sogar gegenseitig, oder?
Ich spiele wahnsinnig gern und komponiere auch gern. Das Tolle ist ja, dass ich Sachen meist sofort ausprobieren kann und nicht erst jemanden bitten muss, wenn ich für Bratsche oder Streichquartett schreibe. Für Petra Ackermann ist natürlich der persönliche Kontakt ausschlaggebend. Und obwohl oft gesagt wird, dass es ja schon alles gibt, entstehen doch immer noch Sachen, die es noch nicht gegeben hat. Ich verwende gern Gadgets, wie zum Beispiel eine Laborstoppuhr, Spielwerke, Fidget Spinners oder den schon erwähnten Plattenspieler.
Deine Musik bleibt beeindruckend leicht und zugänglich, sie wirkt oft unangestrengt. Steckt darin nicht auch dein Bestreben, lieber mit der Musik zu kommunizieren, als über sie zu sprechen?
Auch wenn es banal klingt: Ich möchte die Menschen mit meiner Musik ansprechen. Also ich will ihnen etwas erzählen. Und ich finde, dass das sofort funktionieren soll, in dem Moment, wo Musik da ist. Entweder es gefällt einem dann oder halt nicht. Ich versuche zu vermeiden, kopfig oder staubig in meiner Musik zu werden.
Wie sieht es Covid-bedingt für dich aus? Für euch?
Diese Situation hat uns natürlich voll getroffen. Es war meine unproduktivste Zeit überhaupt, eine Katastrophe. Keine Konzerte, selber nicht gespielt und natürlcih hat auch keiner etwas von mir gespielt. Wir hatten die Kinder zu Hause und waren ausgelastet mit deren Versorgung und Homeschooling. Für mich war es definitiv keine Zeit zum Komponieren und Üben, ich konnte überhaupt nicht kreativ werden.
Als Trio Polyester habt ihr im Jänner einen Gig in der Strengen Kammer – seit wann und wie habt ihr euch denn gefunden?
Peter Herbert habe ich bei einer CD-Produktion von Uli Rennert im Herbst 2011 in Graz kennengelernt. Er war als Solist eingeladen, ich die zweite Bratsche des Streichsextetts. Es gab in einem Stück neben den ausnotierten Noten auch freie Teile und irgendwie hat sich über das Improvisieren unsere Verbindung ergeben. Daraufhin hat er mich für eine Jamsession im Blue Tomato eingeladen, wo wir gemeinsam den Opener spielten. Wir traten dann in Folge als Duo Doppelklinge auf und später formierte sich mit Igor Gross als Schlagwerker das Trio Polyester.
Was spielt ihr als Duo und als Trio, wie kommuniziert ihr miteinander?
Die wortlose Kommunikation ist mir am liebsten. Um zusammen zu spielen, muss man sich gar nicht besonders gut kennen, aber es gibt einen musikalischen Punkt, an dem man sofort das Wesen des Anderen spürt: ob er eher für sich improvisiert oder aber aufmacht und dich sofort mit einbezieht. Alles hat da seine Berechtigung.
Peter Herbert war auch ein Gast der ersten Stunde deiner Reihe On the Couch …
Ja, sie feiert heuer im Oktober ein Festival, Isabelle und ich machen diese kleine Hauskonzertreihe in Wohnzimmeratmosphäre jetzt seit sage und schreibe acht Jahren! Eine kleine kulturelle Initiative, die meine Frau und ich gemeinsam programmieren, mit Getränken, Butterbrot und seit Neuestem: den legendären Schwedenbomben! Es geht uns um einen informellen Rahmen, neue Stücke zu erproben und darüber Austausch mit dem Publikum zu haben. Dadurch begegnen sich immer wieder andere Künstler, internationale sogar, wie zum Beispiel mit dem amerikanischen Komponisten Stuart Saunders Smith und der polnischen Saxophonistin Paulina Owzarek. Das sind großartige Gelegenheiten. In Amerika ist es üblich, dass improvisierte Musik nur an Universitäten stattfindet, und das unentgeltlich. Bei uns bekommen die Musiker, wenn’s möglich ist eine Gage.
Beim Couch Festival treten Andi Schreiber, Peter Herbert, Igor Gross auf und es spielen Lorenz Raab und Christof Dienz als RaaDie. Dazu gibt es noch eine Videoinstallation von Claudia Larcher und zwei Klanginstallationen von Angélica Castelló und mir. Natürlich entlang der gegebenen Hygienevorschriften, notfalls im Streaming. Doch ich hoffe inständig, es wird „normal“ stattfinden, kein Streaming. Wir haben im Mai schon auf den Herbst verschoben. Es ist ja vor allem das Live-Event, was allen so fehlt, vor Publikum zu spielen und nicht in einem leeren Raum. Weil es bei On The Couch auch genau um diese Intimität geht.
Jetzt hast du auch wieder Musik zu Filmmaterial geschrieben …
Alexander J. Eberhard: Ja, Collapsing MIES lief auf der Diagonale, natürlich nur online. Das Festival d’Animation Annecy, das größte Animationsfilmfestival, und das Vienna Shorts Festival haben es ebenfalls gezeigt. Im Fall von Collapsing MIES zeigte Claudia Larcher mir ihren fertigen Film zur Architektur von Mies van der Rohe und ich machte die Musik dazu. Bei 9xBeethoven10 – Reloaded war es umgekehrt, Claudia Larcher hat Videomaterial zum meinem Stück erschaffen. Da gibt es kein vorgegebenes Procedere.
Arbeitest du gern mit jemandem zusammen im Kompositionsprozess?
Ich habe die schärfste Kritikerin zu Hause. Meine Frau erlebt den Prozess mit und bekommt die Stücke als Erste zu hören. Wenn es aber um spezielle Spieltechniken geht, dann hole ich mir das Wissen um Klang- und Notationsmöglichkeiten direkt bei den MusikerInnen, für die ich schreibe.
Wie geht es dem Christine Lavant Quartett und dem Duo bonaNza?
Wir haben als Quartett erstmals nach dem Ausbruch von Covid-19 ein Stück des Komponisten Johannes Wohlgenannt Zincke aufgenommen. Im März wird es bei Imago Dei in der Minoritenkirche in Krems uraufgeführt. Wir sind ein Projekt-Quartett. Es kostet sehr viel Zeit und Aufwand, Konzerte an Land zu ziehen, die auch halbwegs ordentlich bezahlt werden. Die Zeit haben wir oft nicht. Unser Exilkomponisten-Projekt liegt im Moment auch brach, wir wollen das aber unbedingt wieder aufleben lassen. Da gibt es so viel selten gespielte Schätze. Und das Duo ist jetzt ein Trio mit dem Schlagzeuger Igor Gross, wer sollte es sonst sein. Wir planen noch in diesem Jahr ein Konzert im WUK.
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Ein Auszug des Artikels ist erstmals erschienen auf www.musicaustria.at.
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