Judith Fegerl
Kabel in der Hand, Steckdose aus der Wand
Judith Fegerl unterbricht Schaltkreise des Denkens und legt Wahrnehmungen frei, die den Gegenstand emanzipieren. Sie setzt nüchtern-klare Schnitte, um Objekt von Funktion zu trennen und irritiert auch beim Frage-Antwort-Spiel die Zuordnung der Rollen, wie im Folgenden zu lesen…
I transcend encapsulation – sagt das die Stimme des jeweiligen (Kunst-)Raumes oder sagst du das und schaffst dafür mit dem Objekt ein entsprechendes Bild?
Das ist der Titel einer Arbeit, die eine Steckdose zeigt, die aus der Wand, in der sie üblicherweise eingebettet ist, in eine davor gelehnte Glasplatte verpflanzt wurde. Die Steckdose ist immer noch mit ihren Kabeln in der Wand verbunden und funktioniert. Ich würde den Titel nicht so aufdröseln, es ist mehr eine Haltung, dem Selbstverständlichen etwas Besonderes zuzugestehen.
Geht es dir in deinen Arbeiten darum, Technik zu beleben oder eher Belebtem gegenüberzustellen?
Für mich gehen die beiden Bereiche ineinander über. Schön ist es, wenn man keine Schubladen braucht, sondern die Arbeit selbst erzählt bzw. sich die Geschichte im Betrachter/ in der Betrachterin vervollständigt.
Empfindest du offene und geschlossene Räume als Bauten, die sich im Korsett architektonischer Zwänge befinden? Oder stellst du mit deinen Arbeiten die Konstruktion, Funktionalität und Identität von architektonischen Räumen in Frage? Raum wird nackt, entlarvt, aufgedeckt, bloßgestellt und dadurch eigenartig lebensvoll , seltsam verletzbar. Dein Tun scheint eine Subjektivierung bzw. Personalisierung des Raums zu bewirken oder gibst du ihm einfach seine Stimme zurück?
Mir geht es darum, den Raum zu zeigen, wie er ist. Ihn auch seiner untergeordneten, dienenden Funktion zu entheben. Architektonische Strukturen sind immer zweckgebunden und diese Zwecke zeichnen sich in der Konstruktion und Ausstattung ab. Ich möchte den Raum einfach nur Raum sein lassen. Für einen kurzen Moment.
Deine Arbeiten erläutern und beleuchten immer wieder die Begegnung von Technik und Körper, Technologie und Bewusstsein – ist der Akt des Fotografierens wie bei Untitled (Connect) nicht selbst schon so ein Berührungspunkt von Denken mit Handeln via Technologie, quasi bereits im Schaffensprozess, noch bevor ein Bild, ein Objekt, ein Werk entsteht?
Die angesprochene Arbeit ist keine Fotografie, das ist mir wichtig – es ist ein Scan. Ich habe meine Hand und den Kabelstrang auf den Scanner gelegt und eingescannt – fertig. Scannen ist viel unmittelbarer, ich bearbeite die Scans auch nicht. Die Artefakte von Technologie bleiben so unverwischt, das Bild unperfekt. Es das sein lassen, was es ist. Und ja natürlich, ich setze mich damit auseinander, wie ein Bild entsteht, denn das ist Teil des Bildes.
Wie bei Klangkunst, wo Objekten Stimmen oder Klänge eingeflößt werden, gibst du scheinbar Unbelebtem eine Seele oder eben seine Sprache zurück. Intervenierst du damit gegen die gängige Annahme, Konstruktionen seien leblos, anorganische Materie sei ohne Wesen?
Ich kann nichts zurückgeben, was nie da war Bei den Klangmaschinen ist für mich faszinierend, dass etwas so Sprödes wie ein paar Zahnräder und ein Blasebalg einen so organisch anmutenden Sound erzeugen können. Die Konstruktion ist offen, man sieht was passiert und lässt sich dennoch verzaubern.
Deine Arbeiten haben etwas Entblößendes, Freilegendes, wie zum Beispiel bei Spiegel – welche Gedanken liegen dir da näher? Befreiung? Rohkörper? Leiblichkeit? Energie?
Bei allen Arbeiten gibt es einen Moment, ein Detail, das Aufmerksamkeit verdient, und ich suche nach Wegen, diese Aufmerksamkeit dorthin zu lenken. Das kann ein mühevolles Abkratzen der Stellen der Spiegelschicht sein, wo man die Unterkonstruktion des Spiegels sehen kann, oder auch das absichtliche Überlasten von Stromleitungen in der Wand um Brandspuren entlang ihres Laufes zu erzeugen. Energie spielt eine Rolle, immer.
Liegt deinem Fokus auf technische Vorgänge und Technologien ein feministischer Gedanke zugrunde?
Ich mache alles aus einer inneren Notwendigkeit heraus und weil es mir Spaß macht. Feministin zu sein, ist für mich selbstverständlich, hat aber wenig mit meinen Arbeiten zu tun. Immer wieder werde ich „wegen der Technik“ genau das gefragt und es wundert mich, weil ich sehr viele Künstlerinnen kenne, die mit ähnlichen Mitteln arbeiten, sodass es mittlerweile völlig normal sein müsste und nicht etwas Außergewöhnliches.
Die Frage sagt demnach mehr über den/die aus, der/die die Frage stellt.
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Dieser Artikel erschien erstmals im Blog des Q21 des Museumsquartier Wien.
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