Clara Oppel
Ein Gespräch sozusagen
Die in Graz lebende deutsche Klangkünstlerin Clara Oppel ist mit zwei ihrer Arbeiten, Die fernen Hügel sind grün (2012) und Schlechte Brille (2007), in der von Georg Weckwerth kuratierten Schau zum Kabel in der Kunst Connecting Sound Etc. Cable Works, Cable Sounds, Cables Everywhere im freiraum quartier21 INTERNATIONAL vertreten.
Du arbeitest mit Klängen, kommst aber aus der Bildenden Kunst. Gibst du Objekten eine Stimme oder sammelst Du eher Stimmen und weist ihnen Objekte zu?
Eigentlich beides. Das hängt komplett von der Skulptur, von deren Innen- und Außenraum ab und auch von dem, was das Objekt erzählen kann. Ich setze objekteigene und objektfremde Sounds aus O-Tönen vor allem in Symbiose.
Was inspiriert dann? Sind es Sounds, Geräusche, Töne? Oder Objekte, Skulpturen, Gegenstände und deren Eigenleben?
Das ist ein Zwischenbereich und switcht hin und her. Ich kann es oft gar nicht genau benennen. Aber ich muss zugeben, dass ich mich sehr stark vom Gegenstand beeinflussen lasse, vom visuellen Moment und dem, was er gerade erzählt. Dann fangen bei mir auch die Assoziationen und Ideen an und es ergibt sich ein Gespräch sozusagen.
Ist das Akustische zur Bildenden Kunst dazu gekommen? Oder wie gelangte dein thematischer Schwerpunkt zur Klangkunst?
Ich vermute, dass er schon immer da war. Schon zu Beginn des Grundstudiums in Nürnberg habe ich nach entsprechenden Techniken in der Akademie gesucht – es gab ja noch keine Soundstudios. Meine ersten Aufnahmen sind noch mit ganz einfachen Mitteln wie einem Kassettenrekorder entstanden. Später bin ich dann ja auch aus dem Grund für ein Gaststudium nach Wien gegangen, denn hier gab es damals 1996/97 schon brauchbare Computerlabore an den Hochschulen, wie das ELAK der Musikuniversität (mdw). Und so hat sich dann eins zum nächsten entwickelt. Doch schon von Anfang an geriet ich direkt ins Dreidimensionale über den Klang.
Die Arbeit mit Text im poetischen Sinne ist erst in jüngeren Werken sichtbar – Simorgh (2011), Wer ist ich (2007), transeunt (2009) – oder täusche ich mich da? Was bewegt Dich dazu?
Naja, ein Umgang mit Text war schon immer da, Arbeiten damit entstanden aber eher sporadisch. Ich bin keine Hörspielmacherin, die Geschichten erzählt. Hörspiel, auch in Verbindung mit Radio, war bislang nur ein punktueller Versuch. Denn mir geht es eigentlich um die Sprache als tonale Erfahrung. Ich arbeite zur Zeit eher mit der Lautsprache als mit Textinhalten. Welche Nuancen und Farben einem Wort per se schon innewohnen. Das ist mein Material, welches ich dann aufschlüssele und in Position zu dem Visuellen setze.
Die großflächigen Werke (Styx, Schnitt, Kugel) haben eine unheimliche Klarheit im Aufbau…
Das kommt daher, dass die Arbeiten in den Raum gehen. Sie setzen sich in Beziehung mit dem Umraum und haben gleichzeitig auch einen Innenraum. Man kann sie begehen, visuell und akustisch. Außerdem sind diese Arbeiten alle mehrkanalig, das heißt, die Tonquellen sind von stereo bis zu 20-kanalig eingesetzt.
Und spielt die (An-)Zahl manchmal eine Rolle? In Floating Point hast Du 484 Lautsprecher knapp über dem Boden installiert und es wirkt, als ergäbe alles zusammen eine Art Harmonie, zarte Poesie des Visuellen. Andere nennen das streng …
Ja, das passiert immer so ein bisschen beiläufig, ich fokussiere nicht darauf. Wichtig ist in diesen großen Arbeiten die Mehrkanaligkeit, die den Raum über die Akustik bestimmt und den Klang im Raum beweglich macht, wenn der Ton von links nach rechts oder von oben nach unten geht und das Geschehen in jedem Moment abtastet. Die Anordnung der Lautsprecher ist dafür natürlich auch wesentlich: bei Schnitt ging wirklich ein Schnitt durch den Raum und das Geräusch war/ist auch schneidend. Und natürlich hat auch schon die runde Form der Lautsprecher an sich eine eigene Gesetzmäßigkeit. Da gehen Anordnungen entweder gleich ins Organische oder ins sehr Klare.
Was bedeutet für Deine Werke der Rezipient? Statuierst Du eher ein Angebot oder eine (Auf-)Forderung?
Meine Arbeiten formulieren praktisch eine Einladung, in einen erschaffenen Raum hineinzugehen, sich darauf einzulassen. Man braucht ein gewisses Ohr dafür, doch jeder ist sich da selbst sein eigener Maßstab. Ich kann ja nicht voraussagen, wie und was jemand empfindet und hört. Die Assoziationen zum Ton hin greifen so weit und berühren bei jedem womöglich eine andere Geschichte. Wenn beispielsweise Zikaden zu hören sind, ist einer kurz im Süden, ein anderer ganz woanders im Hausgarten vielleicht. Auf diese Weise wird der Rezipient für mich dann auch zum Parameter. Aber Phones oder Schlechte Brille zum Beispiel stellen schon auch Forderungen – “Mit den Augen hören!” oder “Das Hören sehen!” vielleicht – und transportieren zeitkritische Aussagen.
Wie entsteht ein Werk bei Dir? Ist es Inspiration durch Erfahrungen im Alleinsein oder durch Rückkopplungen mit anderen?
Es ist eigentlich die Zeit allein, in der ich mir die Geschichten suche. Gerade jetzt bei Die fernen Hügel sind grün ist das Material aus den Vogelgesprächen des persischen Mystikers Farid Uddin Attar aus dem 12. Jahrhundert. Diese Geschichte ist mir so ungewöhnlich vorgekommen, dass ich sie in irgendeiner Form stückweise aufzeigen wollte. Und so werden Teile daraus gelesen und bearbeitet wiedergegeben. Der grüne Ausblick sind Malereien aus einer Zeit, als ich noch sehr viel graphisch gearbeitet habe. Zum ersten Mal habe ich es gewagt, diese frühen Arbeiten in eine Skulptur einzubauen. Vielleicht weil die Vogelgespräche so zeitlose Aussagen enthalten, essenzielle Fragen, Grundfragen der Philosophie: Wer sind wir? Wohin gehen wir? und in dieser wunderbaren Weise in Geschichten eingepackt sind.
Behagt Dir das Bild eines Vogels? Aus Deinen Werken spricht so eine beeindruckende Leichtigkeit und Grazilität, obwohl es ja aus ganz harschem Material besteht…
Dieses Bild hat mich sicher stark beeindruckt. Eine andere Übersetzung heißt auch Die Konferenz der Vögel und ich hab nun mal immer so viele Lautsprecher, die auch miteinander sprechen und wie ein Schwarm da liegen.
Gretchenfrage der Klangkunst: Gibt es eine Möglichkeit, Klang zu visualisieren oder werden aus visuellem Material Klangräume gebildet oder entstehen klangliche Vorstellungen zu visuellen Eindrücken? Sobald man diese beiden Disziplinen in irgendeiner Form in Verbindung bringt, entstehen offenbar Metaräume, die dann überhaupt nicht mehr dieser Kategorientrennung gerecht werden…
Es sind einerseits eben diese Vorstellungsräume, die hervorgerufen werden und die auch jeder in sich trägt. Doch andererseits basiert meine Herangehensweise ganz stark auf dem Visuellen und ist natürlich geprägt von Zeichnung und Graphik. Da ich irgendwann meinen Fokus auf Dreidimensionalität gerichtet habe, sind die Zeichnungen zwar erst einmal in der Schublade gelandet, aber jetzt merke ich, was für ein unglaubliches Fundament ich damit habe. Es existiert auch zu jeder Arbeit irgendeine Form von Zeichnung oder Graphik, die für mich zur Klärung führte. Klangkunst ist dabei für mich eine grenzübergreifende Sprache, eine Sprache, die erst durch das Gesamtkonstrukt und die gleichberechtigte Rolle der auditiven, visuellen und räumlichen Komponenten zum Ziel, zur Klangskulptur führen. Ist die “Schlechte Brille” hier in der Ausstellung zum Beispiel deshalb schlecht, weil sie zwar das Sehen schärft, nicht aber das Hören? Wenn doch ihre Gläser aus Lautsprechern bestehen … Da geht es um das Verhältnis zwischen Hören und Sehen.
Wie geht es dir mit dem Gedanken, dass die Erfahrbarkeit Deiner Werke so momenthaft ist?
Ja, materiell gesehen, sind sie einfach ungemein vergänglich. Das ist so. Nach dem Abbau ist erst mal alles weg. Aber hinterlassen die erlebten Eindrücke denn keine Erinnerungsbilder? Und Fragen?
In den Arbeiten transeunt und Mindspace geht es mir zum Beispiel vor allem um solche inneren Bilder. Oder anders gesagt, um innere und äußere Räume, Erfahrungsräume, gefühlte Räume. Jeder Raum hat seine Persönlichkeit. Jedes Ding hat seinen eigenen Klang, auch wenn wir ihn nicht hören. Die übergreifenden Impressionen führen zwangsläufig zu einer Konfrontation mit der Vergänglichkeit, ermöglichen zusammen mit der subjektiven Erinnerung eines jeden Einzelnen eine unverfälschte und individuelle Raumerfahrung.
Wenn man mit Klang arbeitet, ist man ja fast schon automatisch in der immateriellen Klangskulptur. Und durch die Mehrkanaligkeit organisiere ich die Bewegung und Anordnung des Klangs im Raum. Es entsteht eine Umgestaltung des erlebten Raumes durch Klang. Das führt zu akustischen Bildern, die weder festgehalten noch reproduziert werden können.
Es hat sich z. B. bewährt, dass ich zur Vernissage so eine Art Konzertinstallation mache, anstatt die Arbeit im Loop laufen zu lassen. Dadurch wird der flüchtige Moment auch nochmal betont und eine Konzentration hervorgerufen, die eine Klangskulptur zur Aufnahme braucht. Denn Zeit, Ort, Stimmung verändern sich fortlaufend und haben einen direkten Einfluss auf unsere Wahrnehmung.
Dieser Artikel erschien erstmals im Blog des Q21 des Museumsquartier Wien.
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